Leben

Alexander Zschokke (1884–1981) gehört dank seiner vielen Werke im öffentlichen Raum zu den bekanntesten Bildhauern Basels. Und doch beschränkt sich das Wissen oft nur einige Brunnen in der Stadt. Es ist kaum bekannt, was sich hinter dem gewaltigen Oeuvre für ein Mensch und für ein Leben verbirgt. Im Verlauf städtebaulicher Veränderungen sind sogar verschiedene Wahrzeichen Zschokkes von ihren angestammten Standorten verschwunden (z.B. der «Zeitungsverkäufer» vor der ehemaligen Nationalzeitung am Aeschenplatz und der «Christophorus» am Aeschengraben).
Mit scharfem Blick hatte Zschokke seine Umgebung und seine Modelle betrachtet, unter den kurz geschnittenen Fransen die strenge, gefurchte Stirn. Durch seinen Ernst und seine Stille und durch die Monumentalität gewisser Werke machte Zschokke einen hehren, asketischen Eindruck, – aber der geheime Lebensgenuss und das Glück in seinem Künstlertum verrieten sich in seinem schelmischen Lächeln in den Mundwinkeln und fanden Ausdruck in manchen lebensfrohen Zeichnungen und Plastiken von Müttern, Kindern und Clowns.
Die Präsentation im Museum Kleines Klingental verlangte eine sorgfältige Beschränkung, Auswahl und Positionierung der Exponate im Hinblick auf die bestehende Dauerausstellung der Münsterskulpturen. Die ursprüngliche Idee einer umfassenden Retrospektive (wie 1982 bei der Gedächtnisausstellung in Riehen) wurde bald aufgegeben zugunsten einer Sichtbarmachung des künstlerischen Prozesses und einer Begegnung zweier Künstlerwelten, eines subtilen Dialogs mit den mittelalterlichen Skulpturen.
Die auf Alberti und Michelangelo zurückgehende Unterscheidung von Bildhauerei und Modellieren als Wegnehmen und Ansetzen existierte bei Zschokke nicht in dieser Schärfe. Zuerst hat er gewöhnlich gezeichnet, dann in Ton oder Plastilin modelliert, diese Rohform in Gips gegossen und dann durch Schaben, Ritzen, Zeichnen und Bemalen das Werk individualisiert. Manchmal wurde diese Form in Bronze gegossen, immer wieder blieb aber Zschokke beim Gips, den er patinierte oder – in Anlehnung an eine antike Praxis – farbig bemalte. So entstand Zschokkes Werk gleichzeitig durch ansetzende und wegnehmende Technik. Manchmal kamen zu den Plastilin- und Gipsstudien noch Ausführungen in Stein, Sandstein, Travertin oder Holz hinzu. Die Bronzegüsse, diese vermeintlichen Zielpunkte und Endstadien eines Werkes, sind also nur eine Station im künstlerischen Prozess. Und eine bemalte Gipsfigur oder gar eine flüchtig erscheinende Zeichnung sind nicht mehr nur Vorstufen, sondern können gegenüber dem Bronzeguss durchaus auch den Anspruch des Originals erheben. Der metallisch-mechanische Guss verbirgt sogar in manchem eher die künstlerische Arbeit, während die Zeichnung und das Gipsmodell unmittelbares Spiegelbild der schaffenden Hand sind. – Leider sind diese Gipsformen beim Giessen oft zerstört oder beschädigt worden. Für unsere Ausstellung wurden verschiedene solche Gipsskulturen eigens restauriert.
Ziel von Zschokkes Portraitkunst war nicht in erster Linie Ähnlichkeit und Abbild, er suchte vielmehr das «Inbild», das Wesenhafte eines Menschen zu zeigen. Deshalb hat er nach intensivem Beobachten und aufgrund einiger markanter Skizzen immer wieder aus der Erinnerung gearbeitet und konnte z.B. nicht verstehen, dass der Basler Maler Martin A. Christ beim gegenseitigen Portraitieren nicht aus der Vorstellung heraus auswendig gestalten mochte.
In der Auswahl und Anordnung seiner Motive knüpfte Zschokke zunächst an antike Traditionen an, in seiner Bildsprache war er durch die ganz eigene Behandlung und Ausführung modern orientiert. In der Ausarbeitung der Oberfläche seiner Bildwerke hat er sich oft beschränkt und vieles in vermeintlichem Rohzustand belassen; kolossale Statik und zierliche Dynamik, Detailtreue und abstrahierende Reduktion hat er gleichermassen beherrscht und in seinen Werken eingesetzt.
Ein zentrales Ereignis in Zschokkes Leben war die Begegnung mit dem Dichter Stefan George in den 1920er Jahren. Wie fast alle, die George begegnet sind, war auch er von dieser charismatischen Gestalt fasziniert, ohne allerdings, wie so viele, in seinen Bann zu verfallen. Zschokke war zu baslerisch-eigenständig für eine geistige Hörigkeit. Was er aber George verdankte, waren das entscheidende Verständnis von echter Kunst, die jenseits von irgendwelchem Sagen- oder Wirken-Wollen ihr Gesetz und ihren Sinn in sich selbst trägt. Ein anderes Motiv aus dem George-Kreis, das Zschokkes Schaffen prägen sollte, ist das von Lehren und Lernen, von Geben und Nehmen, von Verantwortung und Dankbarkeit, wie das in den drei Lebensaltern im Kunstmuseumsbrunnen und in der Monumentalplastik «Schüler und Lehrer» an der Universität zum Ausdruck kommt, auf andere Weise auch in «Saul und David», im «Christophorus» und in den zwei «Zeitungsverkäufern».
Die Anregung zu dieser Ausstellung geht auf den Wettbewerb der Basler Kantonalbank «Ideen für Basel» (1996) zurück. Die Basler Kantonalbank hat neben der Prämierung auch die nicht prämierten Ideen in einer Broschüre vorgestellt im Hinblick auf eine anderweitige Unterstützung und mögliche Realisation. Die Stiftung Pro Klingentalmuseum hat die Herausforderung angenommen und den Auftrag zur Zschokke-Ausstellung in ihrem Museum selbst erteilt. Der Stiftung sei für dieses Engagement und Frau Petra Zschokke für die spontane Mithilfe herzlich gedankt.
David Marc HoffmannAlexander Zschokke (1884–1981) gehört dank seiner vielen Werke im öffentlichen Raum zu den bekanntesten Bildhauern Basels. Und doch beschränkt sich das Wissen oft nur einige Brunnen in der Stadt. Es ist kaum bekannt, was sich hinter dem gewaltigen Oeuvre für ein Mensch und für ein Leben verbirgt. Im Verlauf städtebaulicher Veränderungen sind sogar verschiedene Wahrzeichen Zschokkes von ihren angestammten Standorten verschwunden (z.B. der «Zeitungsverkäufer» vor der ehemaligen Nationalzeitung am Aeschenplatz und der «Christophorus» am Aeschengraben).
Mit scharfem Blick hatte Zschokke seine Umgebung und seine Modelle betrachtet, unter den kurz geschnittenen Fransen die strenge, gefurchte Stirn. Durch seinen Ernst und seine Stille und durch die Monumentalität gewisser Werke machte Zschokke einen hehren, asketischen Eindruck, – aber der geheime Lebensgenuss und das Glück in seinem Künstlertum verrieten sich in seinem schelmischen Lächeln in den Mundwinkeln und fanden Ausdruck in manchen lebensfrohen Zeichnungen und Plastiken von Müttern, Kindern und Clowns.
Die Präsentation im Museum Kleines Klingental verlangte eine sorgfältige Beschränkung, Auswahl und Positionierung der Exponate im Hinblick auf die bestehende Dauerausstellung der Münsterskulpturen. Die ursprüngliche Idee einer umfassenden Retrospektive (wie 1982 bei der Gedächtnisausstellung in Riehen) wurde bald aufgegeben zugunsten einer Sichtbarmachung des künstlerischen Prozesses und einer Begegnung zweier Künstlerwelten, eines subtilen Dialogs mit den mittelalterlichen Skulpturen.
Die auf Alberti und Michelangelo zurückgehende Unterscheidung von Bildhauerei und Modellieren als Wegnehmen und Ansetzen existierte bei Zschokke nicht in dieser Schärfe. Zuerst hat er gewöhnlich gezeichnet, dann in Ton oder Plastilin modelliert, diese Rohform in Gips gegossen und dann durch Schaben, Ritzen, Zeichnen und Bemalen das Werk individualisiert. Manchmal wurde diese Form in Bronze gegossen, immer wieder blieb aber Zschokke beim Gips, den er patinierte oder – in Anlehnung an eine antike Praxis – farbig bemalte. So entstand Zschokkes Werk gleichzeitig durch ansetzende und wegnehmende Technik. Manchmal kamen zu den Plastilin- und Gipsstudien noch Ausführungen in Stein, Sandstein, Travertin oder Holz hinzu. Die Bronzegüsse, diese vermeintlichen Zielpunkte und Endstadien eines Werkes, sind also nur eine Station im künstlerischen Prozess. Und eine bemalte Gipsfigur oder gar eine flüchtig erscheinende Zeichnung sind nicht mehr nur Vorstufen, sondern können gegenüber dem Bronzeguss durchaus auch den Anspruch des Originals erheben. Der metallisch-mechanische Guss verbirgt sogar in manchem eher die künstlerische Arbeit, während die Zeichnung und das Gipsmodell unmittelbares Spiegelbild der schaffenden Hand sind. – Leider sind diese Gipsformen beim Giessen oft zerstört oder beschädigt worden. Für unsere Ausstellung wurden verschiedene solche Gipsskulturen eigens restauriert.
Ziel von Zschokkes Portraitkunst war nicht in erster Linie Ähnlichkeit und Abbild, er suchte vielmehr das «Inbild», das Wesenhafte eines Menschen zu zeigen. Deshalb hat er nach intensivem Beobachten und aufgrund einiger markanter Skizzen immer wieder aus der Erinnerung gearbeitet und konnte z.B. nicht verstehen, dass der Basler Maler Martin A. Christ beim gegenseitigen Portraitieren nicht aus der Vorstellung heraus auswendig gestalten mochte.
In der Auswahl und Anordnung seiner Motive knüpfte Zschokke zunächst an antike Traditionen an, in seiner Bildsprache war er durch die ganz eigene Behandlung und Ausführung modern orientiert. In der Ausarbeitung der Oberfläche seiner Bildwerke hat er sich oft beschränkt und vieles in vermeintlichem Rohzustand belassen; kolossale Statik und zierliche Dynamik, Detailtreue und abstrahierende Reduktion hat er gleichermassen beherrscht und in seinen Werken eingesetzt.
Ein zentrales Ereignis in Zschokkes Leben war die Begegnung mit dem Dichter Stefan George in den 1920er Jahren. Wie fast alle, die George begegnet sind, war auch er von dieser charismatischen Gestalt fasziniert, ohne allerdings, wie so viele, in seinen Bann zu verfallen. Zschokke war zu baslerisch-eigenständig für eine geistige Hörigkeit. Was er aber George verdankte, waren das entscheidende Verständnis von echter Kunst, die jenseits von irgendwelchem Sagen- oder Wirken-Wollen ihr Gesetz und ihren Sinn in sich selbst trägt. Ein anderes Motiv aus dem George-Kreis, das Zschokkes Schaffen prägen sollte, ist das von Lehren und Lernen, von Geben und Nehmen, von Verantwortung und Dankbarkeit, wie das in den drei Lebensaltern im Kunstmuseumsbrunnen und in der Monumentalplastik «Schüler und Lehrer» an der Universität zum Ausdruck kommt, auf andere Weise auch in «Saul und David», im «Christophorus» und in den zwei «Zeitungsverkäufern».
Die Anregung zu dieser Ausstellung geht auf den Wettbewerb der Basler Kantonalbank «Ideen für Basel» (1996) zurück. Die Basler Kantonalbank hat neben der Prämierung auch die nicht prämierten Ideen in einer Broschüre vorgestellt im Hinblick auf eine anderweitige Unterstützung und mögliche Realisation. Die Stiftung Pro Klingentalmuseum hat die Herausforderung angenommen und den Auftrag zur Zschokke-Ausstellung in ihrem Museum selbst erteilt. Der Stiftung sei für dieses Engagement und Frau Petra Zschokke für die spontane Mithilfe herzlich gedankt.
David Marc Hoffmann